Brehmer: Keine Frau muss mit Gewalterfahrungen allein bleiben!

24.11.2020

Zum "Tag  zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen" haben wir mit Heike Brehmer zur aktuellen Situation in Sachsen-Anhalt gesprochen.

Frau Brehmer, der 25. November ist der Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Trotz vieler Aktionen in den letzten Jahren zum Thema zeigt die Statistik, dass Übergriffe und Diskriminierung gegenüber Frauen und Mädchen immer noch sehr hoch sind. Woher kommt das?
Tatsächlich sind die Zahlen von Gewalttaten gegenüber Frauen und Mädchen seit Jahren hoch, was mich sehr betroffen macht. Schätzungen zufolge wird jede dritte Frau in ihrem Leben mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Auch die Auswertung des Bundeskriminalamtes zu  Partnerschaftsgewalt, die kürzlich veröffentlicht wurde, zeigt: allein im letzten Jahr waren Opfer von Partnerschaftsgewalt zu über 80% weiblich.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. In dieser schwierigen Zeit der Corona-Krise befeuern Zukunftsängste und beengte Wohnverhältnisse häufig auch Konflikte und Streit und sind damit Auslöser von Gewalt gegen Frauen. Seit April zeigen die Beratungszahlen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ einen Anstieg um etwa 20 Prozent.

Wie Sie richtig erwähnen, hat sich gezeigt, dass in Zeiten der Corona-Pandemie, in der die Menschen aufgerufen sind, zu Hause zu bleiben bzw. im Homeoffice zu arbeiten, die Gewalt gegen Frauen zunimmt. Welche Maßnahmen gibt es hier seitens der Politik, dem entgegenzuwirken?
Gerade in dieser Sondersituation ist es wichtig, dass Betroffene schnell, unbürokratisch und zuverlässig Beratung und Schutz bekommen. Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, wo Frauen Beratung und Ersthilfe angeboten werden, hat sich gerade während der Corona-Krise bewährt. Bund, Länder und Kommunen haben einen „Runden Tisch“ eingerichtet, um Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen weiterzuentwickeln.

Frauenhäuser und Beratungszentren stehen wie viele soziale Dienste angesichts der Pandemie vor besonderen Herausforderungen. Deshalb wird der Bund mit dem Förderprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" ab 2020 über vier Jahre den Aus-, Um- und Neubau sowie die Sanierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen mit insgesamt 120 Millionen Euro fördern. Mit dem neuen Projekt „Hilfesystem 2.0“ unterstützt der Bund die bessere technische Ausstattung für Frauenhäuser in der Corona-Pandemie mit mehr als 3 Millionen Euro, um verstärkt den digitalen Kontakt mit Betroffenen zu ermöglichen.

Darüber hinaus haben wir als Union den Schutz von Frauen in dieser Legislaturperiode als wichtiges Thema vorangetrieben. Wir haben sexuelle Belästigung unter Strafe gestellt, das Strafrecht bei Cybermobbing verschärft und das das Prostituiertenschutzgesetz durchgesetzt. Wir haben vieles auf den Weg gebracht - aber wir dürfen auch in Zukunft nicht nachlassen und müssen solchen Straftaten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln begegnen.

Was können Frauen und Mädchen tun, die Opfer von physischer und/oder psychischer Gewalt geworden sind?
Mit Sätzen wie „Dir wird doch eh keiner glauben.“ oder „Egal, wohin du gehst, ich werde dich finden.“ schüchtern Täter ihre Opfer ein und lösen in ihnen große Angst aus. Wichtig ist aber: Kein Mädchen und keine Frau muss mit solchen Erfahrungen allein fertig werden!

  • Zunächst einmal könnten sie mit einer Person ihres Vertrauens darüber sprechen oder sich anonym an eine Beratungsstelle wenden. Auch wir als Gesellschaft dürfen nicht wegsehen, denn Taten wie etwa häusliche Gewalt sind keine Privatsache! Wer eine Frau kennt, welche von Gewalt betroffen ist, kann sich ebenfalls an eine Fachberatungsstelle wenden, um über mögliche Hilfsangebote für die Betroffene ins Gespräch zu kommen.
  • Hilfe und Beratung für Betroffene bietet auch das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ an, welches unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 116 016 erreichbar ist. Es ist ein Unterstützungsangebot für Frauen, die von jeder Form von Gewalt betroffen sind, und steht rund um die Uhr in 18 Sprachen zur Verfügung. 
  • In Deutschland stehen gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern mehr als 350 Frauenhäuser und über 40 Schutz- oder Zufluchtswohnungen mit mehr als 6000 Plätzen sowie 750 Fachberatungsstellen zur Verfügung. In Sachsen-Anhalt beraten vier Interventionsstellen in Dessau, Halle, Magdeburg und Stendal zu zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt. Der Verein „Wildwasser e.V.“ steht mit verschiedenen Beratungsstellen Opfer sexualisierter Gewalt in Sachsen-Anhalt zur Verfügung. Die Adressen und Ansprechpartner der 14 Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt finden Betroffene im Internet.

Die Bekämpfung von physischer und psychischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der wir nicht wegschauen dürfen, sondern aktiv handeln müssen. Das wird heute am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen besonders deutlich – dies gilt aber an jedem einzelnen Tag des Jahres!
 

Hier finden Frauen in Notsituationen Hilfe

In Sachsen-Anhalt beraten vier Interventionsstellen in Dessau, Halle, Magdeburg und Stendal zu Schutzmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt. 

Misshandelte Frauen und ihre Kinder können zu jeder Tages-​ und Nachtzeit eine geschützte Unterbringung und Hilfe in Frauenhäusern bekommen.

Es wird ein eigener Wohnbereich zur Verfügung gestellt, und sie erhalten individuelle Beratung und Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder bei Wohnungssuche zur rechtlichen Beratung. Diese Hilfe und Unterstützung ist nicht an einen Frauenhausaufenthalt gebunden. Sie erfolgt auch außerhalb des Frauenhauses und auch anonym.

Die Mitarbeiterinnen unterliegen hinsichtlich der ihnen dabei mitgeteilten persönlichen Verhältnisse und Probleme einer Schweigepflicht.

Mehr Informationen und Kontaktadressen in Sachsen-Anhalt finden Sie auf dem Portal des Landes Sachsen-Anhalt.