Menschenrechte müssen selbstverständlich werden

10.12.2020

Zum Tag der Menschenrechte erklärt Sven Schulze, warum deren Bedeutung - gerade in Pandemiezeiten - besonders wichtig ist. 

Herr Schulze, in Zeiten der Corona-Pandemie wird immer wieder darüber gesprochen, dass durch die gesellschaftlichen Begrenzungen Menschenrechte eingeschränkt werden. Stimmt das?
Die Corona-Pandemie stellt uns alle weltweit vor große Herausforderungen. Die aktuelle Entwicklung der Pandemie und damit verbunden die Einschränkungen des öffentlichen Lebens sorgen immer wieder für kritische Diskussionen darüber, ob der Staat befugt ist, Regelungen wie zum Beispiel die Kontakteinschränkungen zu treffen und durchzusetzen.

Für uns Politiker sind Menschenrechte ein verbindlicher Maßstab, wie wir auf die Pandemie zu reagieren haben. Aus dem Menschenrecht auf Gesundheit leitet sich für uns zum Beispiel die Pflicht ab, Gesundheitsschutz für alle gleichermaßen zu gewährleisten. Das heißt: In Krisensituationen darf ein Staat dieses Recht durchsetzen, indem er andere Menschenrechte einschränkt. Gleichzeitig gilt aber, dass der Schutz der Gesundheit als legitimes Ziel nicht dazu führen darf, andere Rechte übermäßig einzuschränken oder bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren.

Wer entscheidet darüber, wann die Verhältnismäßigkeit gegeben ist?
Über die Zulässigkeit der Einschränkung von Grund- bzw. Menschenrechten entscheiden in Zweifels- oder Streitfällen entsprechende Gerichte, in der Bundesrepublik etwa das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

In absoluten Notlagen, zum Beispiel im Krieg, aber auch eben jetzt in der Corona-Zeit, kann der Staat zudem auf Grundlage entsprechender "Derogations- oder Notstandsklauseln" in Menschenrechtsabkommen Maßnahmen treffen, die von Menschenrechten abweichen. Aber, wie gesagt, es gilt immer, das Diskriminierungsverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip strikt zu beachten.

Am 10. Dezember 1948 ist in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen worden. Seit 1950 findet jährlich am 10. Dezember der Internationale Tag der Menschenrechte mit vielen Aktionen und Gedenkveranstaltungen statt. Warum ist es so wichtig, diesen Tag zu feiern?
Die Verabschiedung der Erklärung für die Menschenrechte war eine direkte Reaktion auf die Ereignisse Zweiten Weltkrieges. Die Weltgemeinschaft sollte sich dazu verpflichten, dass es nie wieder zu solch grauenvollen Verbrechen kommt.

Die Vereinten Nationen erinnern jedes Jahr an diesem Tag daran, dass Menschenrechte noch heute immer wieder verletzt werden – Menschenrechtlern zufolge soll sich dieser Zustand in den vergangenen Jahren sogar verschlechtert haben.

Deshalb ist es wichtig, Menschenrechtssituation weltweit immer wieder kritisch zu betrachten und auf aktuelle Brennpunkte hinzuweisen. Um Missstände zu beseitigen muss man sie thematisieren und den Finger in die Wunde legen. Wir müssen deutlich machen, dass Menschenrechte immer noch nicht selbstverständlich für alle Menschen sind und dass das ein Zustand ist, den wir nicht hinnehmen können.