Sven Schulze: "Das wirft ein schlechtes Licht auf die EU"

05.07.2019

Manfred Weber? Ursula von der Leyen? Sven Schulze äußert sich zum Postenkarussel in der Europäischen Union.

In der Videoreihe des CDU-Landesvorsitzenden, Holger Stahlknecht, kommentiert Generalsekretär Sven Schulze MdEP in einem Gastbeitrag die aktuelle Personaldebatte um dem Posten des Kommissionschefs im Europäischen Parlament

Liebe Freundinnen und Freunde, auf ein Wort!

Europa hat gewählt und dabei lässt sich ganz nüchtern festhalten: Die Europäische Volkspartei, der auch die CDU/CSU-Gruppe angehört, hat diese Wahl gewonnen. Mit 182 von insgesamt 751 Sitzen stellen wir nach wie vor die größte Fraktion im Europäischen Parlament und haben 28 Sitze mehr als die Sozialdemokraten. Folglich muss also das wichtigste politische Amt innerhalb der Europäischen Union auch durch eine Kandidatin oder einen Kandidaten der christdemokratischen Parteienfamilie besetzt werden. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Präsidentschaft der Europäischen Kommission.

 

Wichtige Schaltstelle nicht aus der Hand geben
Letztere hat das alleinige Initiativrecht im EU-Gesetzgebungsverfahren und ist somit als einzige europäische Institution berechtigt, Gesetzesvorschläge zu machen. Nachvollziehbarerweise konnten und wollten wir diese wichtige Schaltstelle in Europa nicht aus der Hand geben, für mich war also klar: Der Spitzenkandidat jener Parteienfamilie, die die Europawahl gewinnt, wird in logischer Konsequenz letztlich Kommissionspräsident. Ein anderes Verfahren wäre beispielsweise auch bei einer Bundestagswahl völlig undenkbar und eine regelrechte Missachtung des Wählerwillens.

Abwehrhaltung aus Frankreich, Spanien und Ungarn
Leider wurde die logische Konsequenz vom Europäischen Rat ignoriert und es kam zu einem unsäglichen Posten-Geschacher. Für Manfred Weber reichte es bei den Staats- und Regierungschefs nicht zur Mehrheit, insbesondere aufgrund der abwehrenden Haltung von Emmanuel Macron (Frankreich), Pédro Sanchez (Spanien) und auch Victor Orbán (Ungarn), die maßgeblich für das Scheitern des Spitzenkandidaten-Konzepts verantwortlich sind.

Manfred Weber will nicht im Weg stehen
Weber selbst bewies Größe und kündigte in einer Sitzung der EVP-Fraktion an, als Person der Sache nicht im Weg stehen zu wollen, was unter den Abgeordneten für eine hitzige Diskussion sorgte. Schließlich wäre es wohl kaum zu rechtfertigen gewesen, dass nun plötzlich die Sozialdemokraten, welche bei der Wahl deutlich hinter der EVP zurückblieben, das wichtigste Amt der EU bekleiden sollten.

Seitens der Abgeordneten wurde deshalb merklich Druck auf den Rat ausgeübt, den Posten doch zumindest bei der EVP zu halten. Der Name, der dann fiel, war für uns alle dennoch überraschend: Ursula von der Leyen.

Ursula von der Leyen muss durch Inhalte überzeugen
Deutschlands Verteidigungsministerin ist in Brüssel aufgewachsen, überzeugte Europäerin und auch durch ihre fachlichen Qualifikationen sicherlich für das Amt der Kommissionschefin geeignet. Ein Selbstläufer wird ihre Nominierung trotzdem nicht. Auch sie muss durch Inhalte überzeugen und sich dem EU-Parlament vorstellen.

Prozedere in Brüssel enttäuscht
Ich persönlich bin über die Vorgehensweise der Staats- und Regierungschefs sehr enttäuscht. Das Prozedere wirft in Sachen Transparenz alles andere als ein gutes Licht auf die Europäischen Union und nach der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung droht das wiedergewonnene Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Europa schnell wieder zu verpuffen.

EVP-Spitzenkandidatin muss Wahlkampfthemen umsetzen
Es ist uns nicht gelungen, unseren Spitzenkandidaten durchzubringen, doch es bringt uns auch nicht weiter, ewig auf der Stelle zu treten. Zumindest kann die EVP mit einer eigenen Kandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin aufwarten, welche die Themen, für die wir im Wahlkampf geworben haben, nun umsetzen muss. Mit einem Kandidaten einer anderen Partei wäre das nicht gelungen.

Ihr Sven Schulze